Präsenzveranstaltung
1. Juni 2022, 18.30–20.00 Uhr
Institut für Geschichte, Universität Wien, Universitätsring 1, 1010 Wien, Hörsaal 30
Péter Techet (Freiburg): Katholizismus als supranationale Idee oder national umkämpfter Raum in der Habsburgermonarchie? – Konflikte zwischen Gläubigen im österreichisch-ungarischen Küstenland
Moderation: Birgitta Bader-Zaar
Abstract:
Die oberadriatische Küstenregion der Habsburgermonarchie war ein religiös fast homogenes (katholisches), zugleich ethnisch-sprachlich gemischtes Gebiet. Die katholische Kirche – sowohl als Institution und Idee als auch als konkreter Raum – stellte dementsprechend einen multiethnischen Treffpunkt dar, sie war aber gleichzeitig ethnisch-nationalistisch umkämpft. Das Bild einer ethnisch-national gespaltenen Küstenregion prägt auch die historiographische Wahrnehmung der damaligen katholischen Bevölkerung und ihrer Konflikte, als ob sie diese entlang (und wegen) ethnisch-sprachlicher Unterschiede ausgetragen hätten.
Eine nähere Untersuchung lokaler Konflikte (im südslawischen Hinterland von Triest oder in mehrheitlich italienischsprachigen Küstenstädten) stellt das Narrativ einer national umkämpfen Kirche bzw. die Bedeutung der nationalen Zugehörigkeit bei den Konflikten infrage. Das nationale Element diente zur städtischen Beanspruchung oder zur kommunikativen Darstellung lokaler Akteur*innen, deren Konflikten aber eigentlich inner-nationale, politische oder alltägliche Motive zugrunde lagen.
In meinem Vortrag werde ich einerseits einige Konfliktbeispiele mit Primärquellen neu kontextualisieren. Aufgrund dieser Fälle werde ich andererseits den Fragen nachgehen, (1) ob und wie die katholische Religion ethnisch-nationale Spannungen überwinden konnte; (2) wie der Vorwurf der „nationalen Indifferenz“ bedient wurde; sowie (3) ob sich der historiographische Begriff der „nationalen Indifferenz“ (Pieter Judson, Tara Zahra) als Beschreibung für die Selbstverortung der lokalen Katholiken eignet.
Zum Vortragenden:
Dr. Dr. Péter Techet PhD, LL.M, M.A., studierte Rechtswissenschaften in Budapest und München sowie südosteuropäische Geschichte in Regensburg. Er ist in beiden Fächern promoviert. In seiner in geschichtswissenschaftlichen Dissertation (an der Universität Mainz) geht es um die Dekonstruktion national erzählter, lokaler Konflikte in der katholischen Kirche des österreichisch-ungarischen Küstenlandes. Für die Dissertation gewann er den Förderpreis der Fritz und Helga Exner-Stiftung und den italienischen Premio Carolus L. Cergoly. Die Dissertation ist 2021 unter dem Titel „Umkämpfte Kirche“ beim Verlag Vandenhoeck und Ruprecht erschienen. Er war zwischen 2012 und 2014 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg; zwischen 2014 und 2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Europäische Geschichte in Mainz; zwischen 2019 und 2020 Visiting Fellow an der New York University und im Oktober 2021 an der Universität Genua. Seit 2020 hat er eine DFG-finanzierte eigene Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg; gleichzeitig ist er Habilitand an der Universität Zürich mit einem rechtsgeschichtlichen Habilitationsprojekt über Hans Kelsen und die österreichische Verfassungsgerichtsbarkeit in der Ersten Republik.
Rückfragen: martina.fuchs@univie.ac.at