Die Frage, wie eine breitere Öffentlichkeit in politische Entscheidungsprozesse einbezogen werden kann, ist angesichts der gesellschaftlichen Krisenerscheinungen der letzten Jahre – von der Klima- und Corona-Krise bis zum Aufstieg des Rechtspopulismus – eines der drängenden politischen Themen unserer Gegenwart. Bislang haben sich v. a. gegenwartsorientierte Disziplinen (die Philosophie, Politik-, Sozial-, Rechts- und Bildungswissenschaften sowie die Kunst) mit dem Problem der Partizipation auseinandergesetzt. Das Projekt einer Wissensgeschichte der Partizipation, das im Mittelpunkt des Projektes steht, beleuchtet eine empfindliche Leerstelle in der aktuellen Debatte. Die wissenshistorische Dimension fehlt in den aktuellen Debatten um Partizipation und Beteiligung fast völlig. Eine wissenshistorische Beschäftigung mit dem Thema kann dabei nicht nur die häufig vergessenen Trajektorien unserer heutigen Diskussionen freilegen, die mitunter ambivalenter sind, als es der Begriff der Demokratisierung nahelegt; sie kann auch ein Bewusstsein dafür schärfen, welche alternativen Epistemologien der Partizipation historisch existierten und welche sich – aus noch zu klärenden Gründen – nicht durchsetzen.
Das Projekt dient einerseits der Vorbereitung eines ERC Consolidator Antrages zum gleichen Thema, andererseits der Durchführung von Vermittlungsmaßnahmen zu angegliederten Projekten, die in der hybriden Publikationsreihe „cache“ (Print und Online: www.cache.ch, Open Access) im Zürcher intercom Verlag erscheinen. Diese Wissensgeschichte der Partizipation soll in dem ERC-Projekt anhand von drei Politikfeldern untersucht werden: 1) ökologische Stadt- und Raumplanung, 2) feministische Gesundheitsbewegung und 3) westeuropäische Entwicklungszusammenarbeit. Ein zeitlicher Schwerpunkt liegt auf den 1960er bis 1980er Jahren, da in diesem Zeitraum die Frage, wie die Öffentlichkeit und „Betroffene“ an gesellschaftspolitischen Prozessen und Entscheidungen sinnvoll beteiligt werden können, intensiv diskutiert wurde. Das Projekt wird sich auf die in diesen Zusammenhängen entwickelten sozialen Formate und Medien der Partizipation konzentrieren, wie etwa Selbsthilfegruppen und alternative Bildungseinrichtungen, Ratgeber und Zeitschriften. Dabei fragt es nach der Rolle von Wissen, denn die Vermittlung von Wissen spielte in allen drei genannten Politikbereichen eine wesentliche Rolle: Welche Erwartungen stellten verschiedene Akteur:innen an die Demokratisierung von Wissen in politischen Entscheidungs- und wirtschaftlichen Entwicklungszusammenhängen? Welche politischen Epistemologien der Partizipation bildeten sich dabei heraus? Und wie bestimmen sie noch heute den Status von Wissen und Wissenschaft in politischen Entscheidungsprozessen und in der Wirtschaft?