Das Forschungsprojekt baut auf den Ergebnissen und der Teamexpertise des FWF-Projekts „Matrimony before the Court. Arenas of Conflict and Courses of Action from the 16th to the 19th Century“ (P 23394-G18) auf. Ziel ist erstens die soziale und regionale Verortung der knapp 2.200 Ehepaare, deren Ehekonflikte zwischen der Mitte des 16. und der Mitte des 19. Jahrhunderts entweder eines der beiden untersuchten Kirchengerichte (1558–1783) oder den Magistrat der Stadt Wien (1783–1850) beschäftigten. Als Kontextquellen dienen uns neben den Pfarrmatriken vor allem Ratsprotokolle, Eheverträge, Testamente und Verlassenschaften sowie Gutachten der medizinischen Fakultät der Universität Wien.
Zweitens wird für den Zeitraum von 1783 bis 1850, in dem die Ehegerichtsbarkeit der Partrimonialgerichtsbarkeit überantwortet war, der Untersuchungsraum auf zwei Herrschaften und vier landesfürstliche Städte bzw. Märkte ausgedehnt. Ermöglicht wird damit einerseits der Vergleich mit der Ehegerichtsbarkeit des Magistrats Wien, andererseits aber auch mit der Ehegerichtsbarkeit der katholischen Kirche vor 1783. Neu untersucht wird drittens auch die Ehegerichtsbarkeit der katholischen Kirche nach dem Konkordat von 1855. Anhand der Ehegerichtsakten der Diözesen Wien und St. Pölten interessiert uns, ob und wie die Kirchengerichte zwischen 1857 und 1867 an die Verfahrens- und Entscheidungspraxis der Konsistorien vor 1783 anzuschließen versuchten.
In methodischer Hinsicht knüpfen wir an das im vorangegangenen Projekt entwickelte Forschungsdesign an: Verwendung finden diskursanalytische und praxeologische, quantitative und qualitative Zugangsweisen, die miteinander verwoben werden. Das Forschungsprojekt leistet Grundlagenforschung. Es überschreitet nicht nur die traditionelle Zäsur zwischen „vormodern“ und „modern", sondern ermöglicht regional und sozial differenzierte Erkenntnisse über Ehekonflikte und die den Ehefrauen wie Ehemännern jeweils zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen. Das im vorangegangenen Projekt entwickelte Webportal und die darin integrierte Datenbank werden weiter verwendet und ausgebaut.